Immer öfter zerkratzte Isolierglasscheiben

Seit einiger Zeit stellen wir fest, dass während der Bauphase und kurz nach Fertigstellung von Bauten deutlich mehr zerkratzte Isoliergläser gemeldet werden, als wir dies aus der Vergangenheit kennen. Diese Feststellung bestätigen uns auch verschiedene Versicherungen und spezialisierte Unternehmer, mit welchen wir in entsprechenden Beurteilungssituationen zusammenarbeiten dürfen. Wieso diese plötzliche Häufung von Schäden und wie können diese vermieden werden?

Unseres Erachtens ist auch diese Problemstellung, wie so oft, vielschichtig. Folgende Punkte können dabei eine Rolle spielen.

  • Steigender Glasanteil in der Gebäudehülle
    Mit dem steigenden Anteil eines Bauteils/Gewerks an der Gesamtstruktur eines Bauwerks, ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass auch die absolut messbare Anzahl von Beschädigungen und Fehlern zunimmt. Aufgrund der in der Vergangenheit relativ guten Produktqualität von Isolierglas, ist dies unseres Erachtens jedoch eher ein Nebenschauplatz.
  • Dezentrale Produktion (im Ausland) der Isoliergläser und längere Transportwege
    Wenn ein sensibles Produkt wie Isolierglas nach der Produktion nicht optimal geschützt und gelagert wird, kann der Transport zu einer heiklen Angelegenheit werden. Diese Situation kann sich mit zunehmender Transportlänge noch verschärfen.
  • Zeitdruck am Bau in allen Belangen
    In der Baubranche ist diese Tendenz seit langem feststellbar. Die Terminpläne werden für alle am Bau Beteiligten immer straffer und Zeitreserven schwinden. Diese herausfordernde zeitliche Dimension zieht sich oftmals durch die ganze Projektphase hin und macht auch vor dem Reinigungspersonal nicht halt. Wenn immer weniger Zeit zur Verfügung steht, um immer grösser werdende Glasflächen mit oftmals sensibleren Glastypen zu reinigen, ist dies ein kritischer Zielkonflikt. Dies gepaart mit dem auch in der Reinigungsbranche spürbaren Fachkräftemangel, führt zu unschönen Folgen.
  • Vermehrter Einsatz von Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG)
    Einscheiben-Sicherheitsglas weist bezüglich der Kratzer-Problematik eine spezielle Eigenheit auf. ESG wird als kratzempfindlicher wahrgenommen. Wieso diese Wahrnehmung täuscht?
    Die Härte von Floatglas und ESG ist grundsätzlich gleich. Die Einritztiefe ist bei gleicher Kraft beim ESG aufgrund der erhöhten Spannung im Glas tendenziell etwas geringer. Jedoch ist es so, dass sich Kratzer auf ESG-Oberflächen aufgrund der erhöhten inneren Spannung innerhalb der ersten ca. 24h bis 48h nach deren Entstehung und besonders nach dem Reinigen mit Wasser verstärken, bzw. beschleunigt „ausreagieren“. Dies wurde u.a. in Untersuchungen der TU Darmstadt festgestellt. Diesen Umstand könnte man schon beinahe als etwas „gemein“ bezeichnen, da die Kratzer unmittelbar nach der Entstehung u.U. kaum sichtbar sind, sich aber nach einigen Tagen deutlich und unschön abzeichnen können.
    Ps: Auch bei Floatglas verändern sich Kratzer, bzw. können sich diese sichtbar verstärken. Dies dauert beim Floatglas aufgrund der geringeren inneren Spannung aber deutlich länger. Der Prozess kann mehrere Jahre dauern. Eine Ursache für solche, dann plötzlich sichtbaren Kratzer, ist nach so langer Zeit dann oftmals nicht mehr eindeutig ermittelbar. Bzw. ein Eigenverschulden des Eigentümers oder Mieters (z.B. aufgrund falscher Reinigung) sowie „übliche Gebrauchsspuren“ sind dann oftmals näherliegende Argumente.

Was kann gegen die Problematik der zerkratzten Gläser unternommen werden?

  • Eine sorgfältige Eingangs- und Ausgangskontrolle beim Produzenten (Fensterbauer) ist eine wichtige Grundvoraussetzung und schützt auch den Unternehmer vor ungerechtfertigten Forderungen.
  • Eingangskontrollen sind besonders auch bei direkt auf die Baustelle gelieferten Isoliergläsern empfehlenswert. Dies nicht nur um sich als Unternehmer zu entlasten, sondern auch um unnötige Arbeitsgänge, sprich den Einbau von zerkratztem Glas zu vermeiden.
  • Nach dem Einbau empfiehlt es sich besonders die Flügel- und Fixverglasungen mittels Folierung/Beschichtung zu schützen. Am Markt haben sich mittlerweile verschiedene Produkte etabliert, welche relativ einfach zu applizieren sind und einen sehr guten Bauzeitenschutz gegen Zerkratzen bieten. Diese Zusatzaufwendungen sind (vor allem im Objektgeschäft und beim Einsatz von ESG, oder grossen Isoliergläsern) schnell amortisiert. Entsprechende Massnahmen sind selbst dann empfehlenswert, wenn sie nicht im Projektbudget enthalten sind.
  • Das Reinigungspersonal sollte besonders vor dem Reinigen von Einscheibensicherheitsglas (ESG) auf die Produktsensibilität hingewiesen werden. Dies kann z.B. mittels einfachem Aufkleber „Vorsichtig reinigen: Einscheibensicherheitsglas“ und/oder Instruktion geschehen.
  • Die Einsatzprüfung von Verbundsicherheitsglas aus Floatglas anstatt Einscheibensicherheitsglas ist nicht nur im Kontext der Kratzempfindlichkeit lohnenswert. Je nach Produkt stellen sich auch Verfügbarkeit und Kosten positiver dar.

Bei Fragen rund um das Thema Glaskratzer oder für entsprechende Beurteilungen stehen Ihnen unsere Experten gerne beratend zur Verfügung.

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